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Rotkäppchen im Reikiland
Wieder einmal war es soweit. Rotkäppchen sollte sich auf den beschwerlichen Weg zur Grossmutter machen, um ihr eine Reikibehandlung zu geben. Grossmutter litt nämlich seit einiger Zeit an starken Bandscheibenschmerzen.
Ihre Mutter packte das Massageöl, den Mini-Klapptisch, die Salbei-Räucherkerzen und die Usui-Bibel in den Korb, gab Rotkäppchen zum Abschied noch eine Kurzbehandlung Reiki auf das linke Ohrchakra.
Energiegestärkt und voller Tatendrang tänzelte Rotkäppchen los. Sie schaltete Ihren iPod mit der „Ocean Flow Away Music“ ein und lauschte nach „Innen“, ohne aber dabei den Weg aus den Augen zu verlieren, noch vergass sie, den Blumen am Wegesrand und den vorbei fliegenden Vögeln Fern-Reiki zu geben.
Sie kam an einem Feld mit wunderschönen Lavendelblüten vorbei. Der duft stieg ihr in die Nase und betörte sie derart, dass sie den Vorsatz der Mutter, nie den Weg zu verlassen, vergass und geradewegs ins dichte Feld lief.
Dort begegnete ihr, wie soll es anders sein, der Wolf, der als Reikimeister getarnt war, mit einem 5. Grad Reikiabzeichen an der Brust. „Wohin des Weges, mein teures Rothäubchen?“ sprach er sie an, im betont entspannten Bass. Fröhlich platzte es aus Rotkäppchen heraus: “ ich will zu meiner Grossmutter, um ihr eine Reikibehandlung zu geben!“. „tja, meine liebe Reiki-Schülerin, hast du den 1. Reiki Grad??“ insistierte der Wolf geschickt.
„Nicht nur den ersten Grad, sondern auch den Jugendhilfe-Grad und eine Einführung in die Pensionärsgriffe“, erwidert Rotkäppchen noch recht freundlich, aber mit leicht beleidigten Unterton, schliesslich war sie ja gut erzogen.
Inzwischen hatte sich der Wolf näher zu ihr gebeugt und ihr war der säuerliche Mundgeruch des stark behaarten Reiki-Meisters aufgefallen, so dass sie ihren kopf leicht abwendete. „Na, dann will ich dich nicht länger aufhalten, auf deinem Weg zur Grossmutter“ säuselte der Wolf, der Rotkäppchens Abwenden bemerkt hatte, in schönster Verstellung. Er hatte sich nämlich in Gedanken schnell einen Plan ausgeheckt und machte sich eilig aus dem Staub.
Rotkäppchen hatte bald den haarigen Mann mit dem merkwürdigen Mundgeruch vergessen und presste noch in aller Ruhe einigen Lavendelblüten ein paar Tropfen ab; die sollten ein Geschenk für die Duftlampe der Grossmutter sein. Anschliessend machte sie sich mit einem lustigen Lied auf den Lippen auf den letzten Teil des Weges.
Derweil war der Wolf schon in Windeseile zum Haus der Grossmutter gelangt. Unter dem Vorwand ihr den Rentner-Reiki-Grad für einen niedrigen Preis zu erteilen, hatte er sich Einlass verschafft. Anstatt der Einweihung bekam die Grossmutter eine Einverleibung. Anschliessend legte sich der inzwischen müde gewordene Wolf in das Bett der Grossmutter, vorher legte er aber noch ihre Brille und Perücke an. Er nahm sich vor im wachen Zustand Rotkäppchen zu empfangen, schlief aber schon nach kurzer Zeit ein.
Bald darauf kam Rotkäppchen, immer noch fröhlich trällernd, zum Haus der Grossmutter. Zu ihrer Verwunderung stand die Haustür offen. Aber getrieben von ihrer Heilabsicht betrat sie unverzüglich das Haus und ging zum Krankenbett.
Beim Anblick der Oma erschrak Rotkäppchen zunächst, fasste sich aber schnell ein Herz und sprach: „ Liebe Grossmutter, warum hast du plötzlich so grosse Hände?“. „Ach mein liebes Kind“, sprach der Wolf, der blitzartig wach geworden war, in verstellter Stimme, „ die hab ich von den vielen Reikibehandlungen bekommen!“. „Aber warum hast du ein so behaartes Gesicht?“, fuhr Rotkäppchen fort. „Ach das sind die vielen Reiki-Kopfbehandlungen, die ich bekam“, erwiderte der Wolf wiederum schlagfertig und sprang plötzlich mit einem doppelten Salto aus dem Bett und verschlang Rotkäppchen mitsamt dem Korb, legte sich zurück ins Bett und war nach kurzer Zeit wieder in tiefen Schlaf gefallen.
Da ergab es sich, dass Barbarella, eine bekannte Turbo-Reiki Meisterin aus Hamburg, in die Nähe des Hauses kam. Sie hörte das laute Schnarchen durch die dicken Wände vibrieren und geriet erst in Extase, weil sie ein neues Mantra vermutete. Auf ihre „innere“ Stimme hörend kam ihr aber schliesslich der Verdacht, dass dort etwas nicht im Einklang mit dem Universum sein konnte. Sie trat näher an die Haustür heran und lauschte. Neben dem Schnarchen meinte sie, eine schwache Mädchenstimme zu vernehmen.
Barbarella ahnte ungutes, rief ihren Schutzengel herbei und betrat die offene Haustür in voller Absicht Gutes zu tun. Wieder ihre „inneren“ Stimme vertrauend, erkannte sie sofort, dass dort im Bett nichts anderes lag als ein verkleideter, schlafender Wolf, ohne Reiki Grad. Sie näherte sich vorsichtig dem Bett und lauschte am Bauch des Wolfes. Zu ihrer Verwunderung aber hörte sie liebliche Klänge aus dem Inneren des Körpers. Was sie nicht wusste: der Wolf hatte Rotkäppchen mitsamt dem iPod verschluckt, der dudelte jetzt in der endlos Schleife die „Ocean flow away Music“ ab.
„Oh, wenner so eine schöne „innere“ Stimme hat, kann er nicht böse sein“, sprach Barbarella zu sich selbst. Aber kaum hatte die zu Ende gesprochen, hörte sie eine barsche, ungeduldige Mädchenstimme aus dem inneren des Bauches: „Von wegen innere Stimme; ich bin es, Rotkäppchen. Der böse Wolf hat mich verschluckt. Hol mich endlich hier raus!!“
Barbarella war erst erschrocken und vermeinte nur die Stimme des Egos gehört zu haben, doch dann wurde ihr der Ernst der Lage bewusst. Sie handelte schnell, aber bedacht. Sie gab dem Wolf eine Reiki-Turbobehandlung direkt auf den Bauch, wie es ein Grossmeister nicht besser vollbracht hätte, so dass der Wolf sich übergab und Rotkäppchen und die Grossmutter unversehrt ausspuckte.
Schnell fügte Barbarella noch einen Spezialgriff hinterher, so dass der Wolf zum Reiki-Klapptisch mutierte. Grossmutter, Rotkäppchen und Barbarella fielen sich in die Arme und sangen gemeinsam „OM“ . Zum Abschluss gaben sie sich eine Gruppenbehandlung auf dem pelzigen Klapptisch.
Licht und Liebe *FAIRY*
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